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„GeSucht Leben“ regt zum Umdenken an

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Einen sehr interessanten Abend verlebten die Besucherinnen und Besucher des Literaturcafés „GeSucht Leben“ am Donnerstag, 20. Oktober. Hierzu eingeladen hatte das Beratungs- und BildungsCentrum der Diakonie Münster. Das Literaturcafé war Teil der gemeinsamen Veranstaltungsreihe des Münsteraner Arbeitskreises Suchtprävention unter dem Titel “Macht’s die Dosis? Impulse zur Suchtprävention”.

Ganz neue Einblicke in Literatur gab das Team der Suchtberatung des Beratungs- und BildungsCentrums (v.l.n.r.): Franz-Josef Wille, Marion Lischka, Heike Liebrecht und Christian Heuck

Die Mitarbeitenden der Suchtberatung des Beratungs- und Bildungscentrums, Heike Liebrecht, Franz-Josef Wille, Marion Lischka und Christian Heuck lasen Texte von Schriftstellerinnen und Schriftstellern vor, die in ihrem Leben unterschiedlichste Drogen konsumiert haben und in deren literarischen Arbeiten sich Spuren dieser „rauschhaften“ Erfahrungen wiederfinden. Im Mittelpunkt standen Werke von Wilhelm Busch, Françoise Sagan und David Foster Wallace.

„Bei der Veranstaltung ging es nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu heben, sondern sich dem Thema Alkohol- und Drogenkonsum von einer anderen Seite anzunehmen“, so Marion Lischka vom Team der Suchtberatung. Die Besucherinnen und Besucher einte das Interesse an Literatur und die Neugierde, diese einmal in einem völlig neuen Lichte zu betrachten.

In der Kurzgeschichte „Italiens Himmel“ von Françoise Sagan aus dem Jahr 1975 verfällt der Protagonist dem Alkohol, weil er mit seinen Kriegserlebnissen und schließlich auch mit seinem gegenwärtigen Leben nicht zurechtkommt. Zwar lebt er nach dem Krieg weiter in vorgezeichneten Bahnen; aber diese sind ihm fremd geworden. Zugleich ist das Leben, das sich ihm in Italien für einen Augenblick als Möglichkeit eröffnet, keine Alternative. So bleibt ihm seiner eigenen Wahrnehmung nach nur der Alkohol, um das Leben zu ertragen.

David Foster Wallace ging es in „Das hier ist Wasser: Anstiftung zum Denken“, seiner Abschlussrede, die er 2005 vor Absolventinnen und Absolventen des Kenyon-Colleges hielt, in erster Linie darum, den jungen Menschen etwas für deren Leben mitzugeben – in diesem Fall die Bedeutung von Reflexion und Empathie im Alltag. Was die Zuhörerinnen und Zuhörer des Literaturcafés direkt in den Bann schlug, waren die verschiedenen Beispiele, an denen der Autor seine Botschaft entwickelt hat – z.B. den Ärger über die lange Schlange im Supermarkt oder das rücksichtsloses Autofahren im Feierabendstau.

Solange das Denken automatisch und unhinterfragt die eigene Person als Mittelpunkt des Universums betrachten würde, würden solche Alltagssituationen immer wieder zu Quellen des Ärgers und der Frustration – so die These des Autors. Das nennt er die „Standardkonfiguration“. In der Folge plädiert er für ein bewusst anderes, empathisch das Gegenüber stärker berücksichtigende Denken, das erlernt werden müsse. So würde eine neue Freiheit im Denken und in der Bewertung von Situationen entstehen.

„Das ist etwas, was wir in unseren Beratungen auch immer wieder versuchen: den Klientinnen und Klienten andere Denk- und Sichtweisen nahezubringen und mit ihnen einzuüben weg von unhinterfragten „Standardkonfigurationen“ oder dem „Autopiloten“ hin zu mehr Offenheit für alternative Sichtweisen und andere mögliche Interpretationen des Erlebten zu kommen“, sagt Marion Lischka.

Die Kurzgeschichte von Françoise Sagan und die Rede von David Foster Wallace regten vor allem zum Nachdenken an. Bei den Gedichten von Wilhelm Busch gab es viel zu lachen, weil sich der einflussreiche Dichter darin nicht zuletzt selbst auf die Schippe nimmt. Insgesamt war die Auseinandersetzung mit der Literatur für alle Beteiligten ein Gewinn. So war man sich einig, dass sich der Weg an den Alten Steinweg 34 unbedingt gelohnt habe. Ein großes Kompliment bekam das Team der Suchtberatung am Ende auch von Seiten der Teilnehmenden für die tolle Vorbereitung und die gemütliche Atmosphäre.