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"Keiner weiß, wie das hier ist ..."

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Junge Menschen, die als Geflüchtete nach Deutschland kommen, bringen viele Hoffnungen und Fragen mit. Vernetzte Unterstützung ist hier ganz entscheidend – besonders dann, wenn Deutschland fremd und manchmal auch ungerecht wirkt. Ein Bericht direkt aus unserer Arbeit.

Zuhören und ernst nehmen!

Rüdiger Korn ist Mitarbeiter des Sozialpädagogisch betreuten Wohnens der Kinder-, Jugend- und Familiendienste der Diakonie Münster. Er begleitet Moussa (20), der aus Gambia nach Deutschland geflohen ist in die Beratung des Jugendmigrationsdienstes im Beratungs- und BildungsCentrum. Dort berichtet Moussa Seda Maiwald, Beraterin des Jugendmirgationsdienstes von seinen Erfahrungen – während Rüdiger Korn „einfach zuhört“.

Das Gehörte soll weitergetragen werden!

Foto: Gespräch im Beratungs- und Bildungscentrum

Moussa im Gespräch mit Seda Maiwald und Rüdiger Korn

Entgegen der sonst üblichen Regel „was in der Beratung besprochen wird, bleibt unter den Beteiligten vertraulich“ gibt es eine andere Absprache unter den Beteiligten: Rüdiger Korn schreibt auf, was er gehört hat, damit es viele Menschen lesen können. Folgende Zeilen sind dabei entstanden:

“Keiner weiß, wie das hier ist …”

Ich sitze mit Moussa in der Beratung bei Seda Maiwald vom Jugendmigrationsdienst und spüre, wie mein Mitgefühl fast in Wut umschlägt. Moussa kommt aus Gambia und spricht ganz leise. „Ich darf nicht in die Disco!“ „Warum?“, frage ich. „Was macht man da, tanzen, das ist doch nichts Schlimmes.“  „Wegen meinem Lappen“, so nennt Moussa seinen Ausweis, der aus Papier ist, weil er alle 6 Monate neu ausgestellt wird.

„Zeigst du mir mal deinen Ausweis?“ fragt Seda Maiwald vorsichtig. „Ich hab ihn nicht mit, weil der peinlich ist! Alle gehen rein und ich stehe draußen, deshalb gehe ich lieber ins Kino. Ist besser, da lerne ich auch deutsch.“ Moussa senkt den Kopf. Er hätte auch gern so eine Ausweis-Karte, mit der man Handy-Verträge abschließen darf und sogar in Urlaub fliegen kann. „Aber ist okay, so sind die Regeln, die haben halt Vorschriften.“

 „Nein, das ist anders“

„Ich weiß wie das ist, ich bin selbst Ausländerin“, sagt Seda Maiwald einfühlsam. „Nein, das ist anders“, entgegnet Moussa. „Es gibt verschiedene Ausländer. Sie sind Ausländer 1. Klasse oder so, aber wir Afrikaner sind die in der 3. Klasse. Die denken, wir machen Ärger. Aber keiner weiß, wie das hier ist“  Ich frage mich, meint er: Keiner weiß, wie es als Ausländer in Deutschland ist? Nein, Moussa zeigt auf seinen Kopf, er ist nicht wütend, er ist traurig und will sagen, dass niemand weiß, was ihm jeden Tag so durch den Kopf geht.

Vergangenheit, Zukunft, jetzt – alles durcheinander!

Moussa hat seine Eltern sterben sehen und sich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Er muss sich gegen den Vorwurf verteidigen „Wirtschaftsflüchtling“ zu sein. Und tatsächlich erhält Moussa Sozialleistungen, weil er in der Ausbildung ist und seine Miete selbst nicht bezahlen kann. Lehrjahre sind keine Herrenjahre sagt der Volksmund. Dabei ist Moussa erfolgreich, nicht nur in der Ausbildung. Er spielt Fußball in der Landes-Liga – noch bekommt er nur in der Ausbildung Boni für besonderen Einsatz, beim Fußball erntet er dagegen Anerkennung und ist beliebt. „Ich kenne viele Deutsche und die sind alle nett und viele sind sogar meine Freunde – aber keiner weiß, wie das hier ist“ – in seinem Kopf und in seinem Herzen.

Moussa steht für viele junge Menschen in unserer weltoffenen Stadt. Sie wollen zu uns gehören und sie sind unsere Nachbarn. Doch es gibt Momente, in denen sie sich ausgegrenzt fühlen – das sollten wir nicht zulassen!

Wir unterstützen:

Der Jugendmigrationsdienst (JMD) der Diakonie Münster hilft bei der Integration in Arbeit, Freizeit und bei den vielen weiteren Fragen.

Wir beraten und begleiten 12- bis 27-jährige Menschen mit Migrationshintergrund bei ihrer schulischen, beruflichen, sozialen und sprachlichen Integration mit Schwerpunkt am Übergang von der Schule in den Beruf. Wir kooperieren dabei mit verschiedenen Stellen und Personen, die für die Integration relevant sind, darunter vor allem Eltern, Schulen, Sprachkursträger, Jobcenter und Betriebe.

Frau Maiwald und ihre Kolleg:innen sind unter 0251-490 150 im Beratungs- und BildungsCentrum zu erreichen.