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Menschen in schwierigen Lebenslagen dürfen nicht allein gelassen werden

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Seit fast neun Jahren ist Angelika Krüger* alleinerziehend. Die Mutter zweier Söhne im Alter von acht und zwölf Jahren ist Freiberuflerin. Damit die kleine Familie auf möglichst wenig staatliche Zuschüsse angewiesen ist, hat sie neben ihrer Tätigkeit noch zwei weitere Nebenjobs. Fünf Stunden schlafe sie pro Nacht, für mehr bliebe keine Zeit, sagt sie. Trotzdem nimmt sie sich bewusst einen Moment, um von ihrer persönlichen Lebenssituation zu erzählen: von den permanenten Herausforderungen und Anstrengungen, die auf ihren Schultern liegen, ihren Zielen, denen sie trotzdem treu geblieben ist, und der Familienberatung, die sie unterstützt, alles durchzustehen. Allerdings gebe es viel zu wenig Beratungsplätze. Angebot und Nachfrage ständen nicht im Gleichgewicht.

Um überhaupt einen Termin zu bekommen, müsse man im Vorfeld viel recherchieren und telefonieren. Aber Betroffene würden akut Hilfestellung benötigen, wenn es brenne. Wenn es dann keine Beratungsmöglichkeit gebe, werde es noch härter, nehme es noch mehr Kraft. „Wenn ich mir das Bein breche und nur eine Krücke bekomme, kann ich nicht laufen“, so Krüger. „Wenn man Hilfe braucht und dann auf sich alleingestellt ist, geht es einem ganz mies.“ Man werde depressiv.

 

„Beratungsstellen helfen den schwächsten Gliedern in der Kette, dass sie nicht zusammenbrechen“, davon ist Krüger überzeugt. „24/7“ sei sie in den vergangenen Jahren für ihre Kinder dagewesen. Mit ihren körperlichen und seelischen Kräften sei sie längst am Limit, sagt sie. Trotzdem kämpft sie jeden Tag für ihre Kinder. Für sie wolle sie alles richtigmachen, für sie habe sie auch hohe bildungspolitische und soziale Ansprüche. Später sollen sie es besser haben. Dafür nimmt die Mutter viel in Kauf.

Die Folgen, die eine Einschränkung oder der Wegfall des Beratungsangebotes hätten, wären für die alleinerziehende Mutter und ihre beiden Söhne deutlich spürbar.

Gebraucht wird kompetente und professionelle Beratung

Zeit, sich selbst zu reflektieren, gebe es im Alltag nicht, auch keine familiäre Unterstützung vor Ort, weil ihre Eltern weit entfernt leben. Für Hilfe aus dem engen Freundes- und Bekanntenkreis sei sie unendlich dankbar. Ohne sie hätte sie es gerade in der ersten Zeit nicht geschafft. „Aber die Grenzen in Bezug auf emotionale Hilfe und Beratung ist wie in meinem komplexen Fall schnell erreicht“, meint sie. Kompetente und professionelle Beratung sei stattdessen notwendig. Sie ist froh, dass sie Termine in der Familienberatung des Beratungs- und BildungsCentrums der Diakonie Münster bekommen hat. Dort würden Beispiele aus dem Alltag ganz konkret besprochen. Das gebe ihr die Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg sei und nehme den Druck und ganz viel Stress.

 

Die Trennung von ihrem Mann damals sei dramatisch gewesen. Für ihren älteren Sohn bedeute sie noch immer ein Trauma, weil er sich auch vom Vater verlassen fühlt. Ein niedriger Selbstwert sei die Folge. Vor drei Jahren sei bei ihm außerdem ADHS diagnostiziert worden. Zuvor hatte es lange gedauert, bis sie wusste, was mit ihrem Sohn los sei. Inzwischen sei er medikamentös eingestellt. Trotzdem sei vieles schwierig. Drei Schulwechsel lägen hinter ihm. Vor allem würde er Hilfe zur Selbsthilfe benötigen. Krüger hatte sich, auch als die Kinder noch klein waren, immer darum gekümmert, dass auch sie zielgerichtet Hilfe bekommen. Gerade in Corona-Zeiten gab es lange Wartelisten. Momentan macht der ältere Sohn eine Kurzzeit-Therapie. Auch weil die Pubertät die Situation noch erschwert habe, hatte Krüger nach einem Angebot in der Familienberatung gesucht. Ein Rettungsanker.

 

Knappe Beratungsangebote mit schwerwiegenden Folgen

Im Alltag gebe es ständig Situationen, in denen kurzfristig Entscheidungen getroffen werden müssten. Dann stehe sie alleine da, die Verantwortung läge bei ihr. Immer wieder gebe es Höhen und Tiefen. Bei ihrem letzten Termin in der Familienberatung sah die Welt gerade einmal positiv aus. Krüger konnte auch mal von sich erzählen, Kraft tanken. Am nächsten Abend schon brach das Kartenhaus zusammen. Plötzlich und unerwartet. Gemeinsam mit anderen Jungen habe sich der Zwölfjährige Zigaretten und Vapes beschafft. Der Chatverlauf im Handy zeige, wie die Gruppe alles organisiert habe. „Eine Katastrophe“, sagt sie. Trotz aller Schwierigkeiten und Wendungen hatte sie nach guten Schulen und zuvor nach einem passenden Kindergarten gesucht und dafür lange Anfahrtswege in Kauf genommen. Die Kinder sollten gut aufwachsen. Und jetzt das? Sie gehe der Sache nach, führe Gespräche mit anderen betroffenen Eltern und Lehrern. Das Handy habe sie konfisziert und den Zugriff gesperrt. Jetzt brauche sie die Familienberatung und die kompetente Unterstützung ganz besonders. Sie wolle versuchen, den nächsten Termin vorzuverlegen. Ob das möglich sei, weiß sie nicht. Wenn Beratungsangebote weiter knapp sind und noch gekürzt würden, Hilfe für die Betroffenen ausbliebe, da ist sie sich sicher, hätte dieses schwerwiegende Folgen nicht nur für sie selbst, sondern auch für viele andere Hilfesuchende und nicht zuletzt für die Gesellschaft.

*Name geändert